25 Jubiläumsausstellung der Galerie Böhner in Mannheim

Meine sehr geehrten Damen & Herren,

der erste Teil der dreiteiligen Jubiläumsausstellung der Galerie Böhner „25 Jahre Galerie Böhner“ hier in Mannheims Schwetzinger Vorstadt findet ohne Publikum statt. Dies ist nicht nur für die 25jährige Galeriengeschichte ein Novum, sondern überhaupt. Niemals in der Geschichte unseres Landes hat es derartige Einschränkungen gegeben, wie sie derzeit, bedingt durch den Kampf gegen das Virus COVID 19, eingeführt worden sind.

Wir hoffen, dass Sie und wir die Zeit bis zur Aufhebung der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum gut überstehen und begnügen uns bis dahin mit der Spiegelung der Ausstellung in den neuen Medien.

Im ersten Teil der Ausstellung sind Arbeiten von 14 Kunstschaffenden zu sehen, darunter auch einige Videos und Fotos von Claus-Peter Böhner-Fery, der in diesem Zusammenhang nicht nur als Ausstellungsmacher auftritt, sondern als Aktions- bzw. Konzeptkünstler selbst aktiv wird. Dies bedeutet, und davon erzählen die gezeigten Videos, dass er eine Ausstellungskoje als Aktionsfläche nutzt. Mit der Vorgabe „Kunst ist…“ – wie einst die bekannten Cartoons „Liebe ist…“ – lädt er die Standbesucher dazu ein, mit unterschiedlich farbigen Filzstiften Definitionen jener Totalabstraktion zu liefern, über die dann diskutiert werden kann. Ein interessanter Dialog hat sich dabei jedes Mal zwischen Ausstellungsbesuchern, Künstlern und Galeristen entwickelt, der hier per Videoclip und Fotografien festgehalten wurde.

Weniger dialogisch, eher skulptural, geht es bei Gerold Maier zu, mit dem sich Böhner-Fery ja auch die Arbeit in der Galerie teilt. Skulptural? Dieser Begriff verwundert im Zusammenhang mit Fotografie. Und doch scheint er legitim, denn auch das berühmte Fotografenpaar Bernd und Hilla Becher erhielten seiner Zeit den Preis der „Biennale von Venedig“ bezeichnenderweise im Fach Skulptur, denn Fotografie wurde damals nicht unter Kunst gezählt. Während die Bechers vorwiegend Industrieanlagen im strengen dokumentarischen Stil fotografierten, sind es bei Maier Ausschnitte aus modernen Gebäuden, deren Architektur in ihrer strengen geometrischen Anordnung faszinierend wirkt. Neu bei Maiers Arbeiten ist die sehr betonte Farbgebung, die bei den früheren Arbeiten noch nicht so auffällig war wie hier bei den sepiabraunen oder blauen Tönen.

Von anderer Art sind dagegen die Arbeiten von Silke Steinert. Die schrundigen Oberflächen ihrer Bilder ziehen den Betrachterblick geradezu magisch auf sich. Diese haptische Wirkung trägt neben der visuellen Vielschichtigkeit zu der eindrucksvollen Komplexität ihrer Werke bei. Das Auge durchdringt hier unterschiedliche Malschichten, wodurch immer wieder neue Perspektiven entstehen. Um diesen Eindruck zu erreichen, verwendet die Künstlerin nicht nur Farbe und Pinsel, sondern auch Marmormehl, Bitumen und sogar Blattgold, sodass die Oberflächen der Bilder wie Sedimentschichten wirken, die lange Zeit Wind und Wetter ausgesetzt waren.

Wirken die Bilder von Silke Steinert dabei eher abstrakt, so sind es bei den Arbeiten der Berlinerin Ute Zeuschner offene Landschaften, was allerdings eher zu erahnen als tatsächlich zu erkennen ist. Ihre Bilder entwickeln sich aus der Tiefe. Dabei hat sie keinen klaren Plan, wenn sie mit ihren Werken beginnt. Sie entwickeln sich spontan und wirken gerade hierdurch lebendig.

Ana Orpels hier gezeigte kleine Formate sind gemischte Techniken, die miteinander korrespondieren und sich im Laufe des Malprozesses verdichtet haben. Dabei wirken Zeichnung und Malerei zusammen, sodass Zwischenräume entstehen, die den Arbeiten eine geheimnisvolle Tiefe verleihen.

Von der Erscheinung nicht unähnlich sich die Arbeiten von Elke Lehmann, die zu einer Reise in die Visionen einlädt. Hierbei handelt es sich um Fotografien, genauer gesagt um inszenierte Fotografien. Sie arrangierte dabei das Material so, dass aufgrund des Zusammenspiels mit wohl austarierter Beleuchtung der Effekt erzeugt werden kann, den sie mit der Kamera einfangen möchte.

Auch Matthias Zerb arbeitet auf eine ganz besondere Weise mit der Fotografie. Geheimnisvoll wirken diese Arbeiten und man realisiert erst nach und nach, dass sich die transparent wirkenden Motive hinter Glasplatten befinden, so noch weiter in die Ferne gerückt, sodass sie, ähnlich manchen Traumbildern, in einem imaginären Kosmos zu schweben scheinen. Die Grundtechnik ist bei Matthias Zerb genau wie bei Gerold Maier die lange vergessene Polaroidfotografie.

Die Spanierin Maria Isabel Brandis bevorzugt den spielerischen Umgang mit dem Medium Bild. Sie lädt ihre Betrachter zu einem Spaziergang durch surreale Orte ein, die sie mit einem ans Aquarell erinnernden Farbauftrag erschafft. Etwas verloren wirkt dabei der Hund, der hier auch titelgebend ins Bild gesetzt ist. Grundlagen ihrer Werke sind Begegnungen mit Menschen, Begegnungen, die dann schließlich Spuren in ihren Bildern hinterlassen.

Die Bilder von Maria Isabel Brandes sind denen von Anette Bundschuh aus Bensheim durchaus seelenverwandt. Auch sie führt Malerei und Zeichnung zusammen, sodass die Fantasie des Betrachters den Spielraum hat, die unterschiedlichen Fragmente, die hier collageartig dargeboten werden, zu eigenen Geschichten zu verdichten.

In eine andere Richtung führen die Arbeiten von Davorka Azinovic. Sie strebt danach, unterschiedliche Kulturen miteinander zu vereinen. Dabei spürt sie unterschiedlichen kulturprägenden Artefakten nach, wie zum Beispiel bei dem hier ausgestellten Bild die „Panflöte“, die sowohl bei der Musik im antiken Griechenland als auch bei der der indigenen Völker Lateinamerikas eine zentrale Rolle spielt.

Die beiden Bildhauer in der Ausstellung, Ulrich Wössner und Walter Dorsch, arbeiten beide mit dem Werkstoff Holz. Aber jeder der beiden bewerkstelligt das auf seine eigene ganz spezifische Art und Weise. Für Wössner steht das Material im Vordergrund von dessen vorgefundener Form und Energie er sich inspirieren lässt, sodass aus den jeweiligen Fundstücken, den „objects trouvés“, eine völlig eigenständige Welt entsteht. Anders Walter Dorsch, der das Holz seiner künstlerischen Idee gemäß bearbeitet und ihm dadurch eine sinntragende Form verleiht, wie zum Beispiel in seiner Skulptur „Don Quijoté“.

Christine Stettner führt uns bei unserem Gang durch die Ausstellung wieder zur Malerei zurück. Sie schafft sehr weitläufige Bildräume, in denen ihre Figuren zu schweben scheinen. Diese Wirkung erreicht sie durch eine feine Lasurtechnik, die sie immer weiter verfeinert hat. Bei dem Bild mit dem Titel „Die unbenannte Erde“ fließen die unterschiedlichsten Gefühle und Stimmungen mit ein und werden für den Betrachter auf eine sehr persönliche Weise nacherlebbar.

Am Ende dieser Ausstellung steht hier eine Arbeit mit dem Titel „Blick ins Tal“, wozu uns Mike Braun einlädt. Die Situation, die der Künstler in seinen Bildern erzeugt, erinnert an die Grundstimmung in Caspar David Friedrichs Werk: „Wanderer über dem Nebelmeer“ (Kunsthalle Hamburg). Mike Braun interpretiert die Stimmung hier zeitgemäß, vereinfacht, vergröbert vielleicht, um Friedrichs Ausdruck in unserer Zeit zu übertragen. Ein zeitgenössischer „Wanderer über dem Nebelmeer“ vielleicht, der in unsere Welt gehört und nicht in die romantische seines künstlerischen Vorbilds, wo es den Rückzug in eine heile Natur möglicherweise noch gegeben hat.

Alle Künstler dieser ersten Jubiläumsausstellung in 2020 sind Künstler der Galerie Böhner, die entweder in den vergangenen Jahren auf Ausstellungen der Galerie in Mannheim präsentiert wurden und/oder auf internationalen Kunstmessen. Die Mannheimer Galerie legt also auch großen Wert darauf, die Entwicklung ihrer Künstler durch intensive Präsentationstätigkeit langfristig zu begleiten und damit zugleich deren Entwickung augenscheinlich zu machen.

Text: Dr. Helmut Orpel

 

 

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